Tag 1, Donnerstag der, 03.10.13  Anreise

38 Chormitglieder machen sich am Tag der deutschen Einheit pünktlich um 7.30 Uhr auf den Weg Richtung Osten. Während wir quasi der aufgehenden Sonne entgegeneilen, begleiten uns die türkisch-deutschen Witze unseres Busfahrers Ramazan und sorgen für gute Laune. Die einzige Problematik, mit der wir im Laufe des Tages zu kämpfen haben, liegt in den zweispurig zu nutzenden Drehkreuzen überfüllter Raststätten-Notdurft-Anlagen. Die inzwischen inflationären Preise schlagen mit -,70 Euro unerwartete Löcher in die privaten Reisekassen. Doch diese Finanzkrise schmälert unsere Reiselust nicht im geringsten. Mit einer Punktlandung erreichen wir die Wartburg.

Nun heißt es erst einmal tief Luft holen und die eigene körperliche Fitness auf den Prüfstand bringen. Bevor wir den Burghof erreichen, melden sich diverse Hüften, Knie und gequälte Atemwege, aber als wir ankommen, haben wir keine Verluste auf der Strecke zu verzeichnen.

Die Führung von den Kellergewölben bis ins Dachgeschoss des Palas ist interessant. Neben dem Raum der „Landgräfin“, der mosaikverzierten Kemenate der heiligen Elisabeth (die davon kein einziges Steinchen zu Gesicht bekommen hat), sehen wir das thematische Wandgemälde im Sängersaal. Mich bringt es auf eine Themenvariante zum „Tag des Liedes“. Wer am schlechtesten singt, wird hingerichtet. Nach wenigen Jahren wäre diese Veranstaltung hinfällig. Doch dann fällt mir ein, dass wir ohnehin nicht mehr daran teilnehmen.

Das Museum der Burg beherbergt zahlreiche Cranach Kopien, darunter auch einige, die Martin Luther Höchstselbst zeigen. Schön war der ja nicht, nicht einmal zu seiner Zeit als Junker Jörg auf der Wartburg.

Ich finde besonders an einem Exponat Gefallen: Ein Gestell mit fünf Sanduhren. Sehr vorteilhaft bei einer fünfköpfigen Familie zur Zubereitung der Frühstückseier nach unterschiedlichen Vorlieben, finde ich. Luthers Tintenfleck – Folge seines Farbbombardements gegen den Teufel – kann ich nicht entdecken, doch den Hauch der über achthundertjährigen Burggeschichte spürt man deutlich.

Der Eisenacher Ortskern erweist sich als feiertäglich überfüllt, die Nahrungs-und Getränkeaufnahme wird dadurch verkompliziert, doch am Ende klettern alle halbwegs zufrieden für die letzte Tagesetappe wieder in den Bus. Das Ahorn-Hotel in Friedrichroda erreichen wir pünktlich. Es versprüht einen leichten DDR-Charme, der sich in den FDJ-ähnlichen Krawatten des Servicepersonals ebenso widerspiegelt, wie in vorsintflutlichen Lichtschaltern und weiteren Kleinigkeiten.

Nach dem Essen beehrt uns Señor Quickly (bitte nicht das L vergessen!) auf der Bühne mit seinem schrägen Unterhaltungsprogramm, auf das man durchaus verzichten kann und das den Bezahlvorgang im Saal Thüringen beschleunigt.

Bei einem Absacker in der Bar knüpft ein angeheiterter Herr zarte Bande und lädt zu einer Probefahrt mit dem „schönsten Auto auf dem Parkplatz“ für den kommenden Tag ein. Glücklicherweise werden wir starten, ehe der Alkoholpegel des sächselnden Gigolos das Führen eines Kraftfahrzeugs erlaubt.

Am Nachbartisch fängt jetzt die Deko einer Cocktailkirsche Feuer. Ihr Besitzer sitzt da und merkt davon nichts. Wir machen ihn auf den Brandherd aufmerksam. Nochmal Glück gehabt. Das Hotel wird heute nicht abgefackelt.

Dann sind auch die letzten rechtschaffen müde und suchen ihre Zimmer auf. Ich mache einen Haken hinter Tag eins meines Reiseplans und versinke um Mitternacht ebenfalls im Reich der Träume. Morgen ist ein neuer Tag…

Tagebucheintrag von Anja Ollmert

 

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