Tag 5, Montag, den 07.10.13 Erfurt

Pünktlich wie geplant verlassen wir nach einem letzten gemeinsamen Frühstück das Hotel. Niemand steht zum Winken am Fahrbahnrand, aber das obligatorische Gruppen-Reise-Foto wurde soeben geschossen. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.

Wieder unterhält Ramazan uns mit ein paar launigen Witzen, (die ich inzwischen leider allesamt vergessen habe) und als wir Erfurt erreichen, sind wir für die geplante Führung sogar ein wenig zu früh dran. Eine gute Gelegenheit, die Stadt für ein halbes Stündchen selbst in den Blick zu nehmen, ehe die Reiseleitung die Führung übernimmt.

Wir teilen uns wie gewünscht ganz zwanglos durch Abzählen in zwei Gruppen auf und das Abenteuer kann beginnen. Den Dom lassen wir sozusagen rechts liegen – wir haben ihn schon vor einigen Jahren besucht und eine Führung erhalten. Außerdem ist es den Stadtführern nicht erlaubt, ihre Arbeit im Innern des Doms weiterzuverfolgen. Macht nichts. Hier draußen hören wir von der zentnerschweren Glocke und ihrer abenteuerlichen, aber gelungene Instandsetzung. Sie läutet jedoch nur 9 Mal im Jahr, wird sozusagen geschont.

Erfurt ist, wie schon erwähnt, Stadt der Blaudrucker, beziehungsweise der Herstellung einer blauen Farbe aus der „Färberwaid“ genannten Pflanze. Wieder wird der Begriff des Blaumachens erklärt, doch vorgestern noch war das eine andere Interpretation, glaube ich mich zu erinnern. Jedenfalls kann man deutlich sehen, dass die Pflanze und die Farbgewinnung der Stadt reichlichen Gewinn eingebracht haben müssen, der bis heute erhalten geblieben ist. Und ich schlussfolgere, dass die Mengen männlichen Urins, als Resultat des Freibiers aus den Straußenschänken ebenfalls erstaunlich gewesen sein müssen, um all die Stoffe blau zu färben. Ein Sträußchen sehen wir in einem winzigen Fenster während unserer Tour.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich der einstige Reichtum in den Häusern am Platz, an dem sich auch das Rathaus der Stadt befindet. Das ehemalige Ständehaus ist mittelalterlich bunt, das rechts daneben lässt die Farbe vermissen, greift aber den Baustil auf. Ein Stück weiter wird es Barock und je weiter man sich dreht und die Fassaden bestaunt, landet man schlussendlich beim Bauhausstil des 20. Jahrhunderts. Auch die am Rand des Platzes befindliche Großbaustelle kann diesen Eindruck nicht trüben.

Wir erfahren, warum Bernd das Brot in Lebensgröße (Was für ein Quatsch, so groß ist schließlich kein Toastbrot) neben vielen anderen Trickfilm- und Fernsehfiguren in der Stadt verteilt herumstehen. Grund dafür ist, dass der Kinderkanal von ARD und ZDF seine Zelte nach der Wende in Erfurt aufgeschlagen hat. (Wir könnten demnach auch auf die Maus und den Elefanten treffen).

Ob ehemaliges Universitätsgebäude oder zufällig wiederentdeckte Synagoge: Erfurt hat städtebaulich keine Fehler gemacht und sich die steinernen Zeitzeugen in voller Schönheit erhalten können. So auch die wundervolle, bebaute Krämerbrücke, die wir gemeinsam überqueren, während rechts- und linksseitig in winzigen Läden Kunsthandwerk, Souvenirs, Linkshänderwaren  und Schokolade angeboten werden.

Ich beschließe, dass ich gerne noch einmal wiederkommen möchte, um Erfurt näher kennen zu lernen und habe das Gefühl, es geht anderen genauso. Es mag daran liegen, dass heute die Sonne scheint und angenehme Temperaturen vorherrschen, aber das ist es nicht allein. Erfurt ist charmant, einladend und versprüht zugleich gute Laune, so empfinde ich das jedenfalls.

Wir starten zu Dritt noch eine kleine Stippvisite in den Dom und finden ihn in voller Schönheit vor. Beim letzten Besuch wurde hier viel renoviert. Und wir entdecken die Grabplatte des Thüringischen Bigamisten mit den zwei Frauen, je eine zur Rechten und zur Linken. (Mancher Mann mag ihn beneiden, doch sicher bin ich da nicht).

Als wir wieder in den Bus steigen, sind wir uns einig: Hier hätte man länger verweilen mögen, doch der Nachhauseweg ist noch ein paar hundert Kilometer lang. Die bewältigen wir aber spielend und ganz ohne Stau, sodass wir wie angekündigt um Punkt 19.40 Uhr über die Kirchstraße rollen. Hier findet eine angenehme, erlebnis- und lehrreiche Kurzreise ihr Ende.

Tagebucheintrag von Anja Ollmert

 

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